Altes E-Werk, 22. 9. 2012

Blues und Jazz mit Leib und Seele

In den frühen siebziger Jahren, als man noch keine Tattoos oder Nasenpiercings brauchte, um aufzufallen, sondern einfach nur die Haare wachsen ließ, begann die musikalische Karriere von Sammy Vomáčka. Erst mit 16 Jahren, relativ spät also hinsichtlich des großen Talents, das in ihm schlummerte, hatte er mit dem Gitarre spielen begonnen. Als sowjetische Truppen sein Heimatland besetzten und den Prager Frühling zunichte machten, kam er nach Berlin und zog als Ragtime-, Fingerpicking- und Blues-Gitarrist durch die Szeneclubs, die einer neuen Generation von Musikern und Comedians Entfaltung boten: Hannes Wader, Ingo Insterburg und Jürgen von der Lippe waren nur einige der jungen Kreativen, die Sammy Vomáčka dort traf.
Mittlerweile steht er seit fast fünf Jahrzehnten auf der Bühne. Eine Zeit, in der er sich längst vom Fingerpicking-Gitarristen zum versierten Solisten internationaler Jazz- und Swingformationen entwickelt hat. Und von deren Anfängen er seinem Publikum im Alten E-Werk Neckargemünd unterhaltsam und mit Schwejk`schem Schalk im Nacken erzählte. So mancher seiner Zuhörer kannte Vomáčka durchaus noch „von früher“, als die Tonträger noch „Schallplatten“ hießen.

Mit einem Crashkurs in Sachen Gitarren-Musikstile und Spielweisen eröffnete Sammy Vomáčka den Abend. Genüsslich demonstrierte und demontierte er auf seiner akustischen Gitarre die langweiligen und die schon etwas

interessanteren dieser Techniken, um schließlich vorzuführen, wie sich Musik anhört, die ein alter Hase und Vollblutmusiker wie Sammy Vomáčka heute mit Leib und Seele spielt. „So ungefähr jedenfalls“, wie er gerne anmerkte.

Wenig abgewinnen kann er aus heutiger Sicht den Fingerpicking-Folksongs der Hippiegeneration à la Joan Baez („die sind harmlos“). Auch zu den angespielten Ragtime-Stücken verhehlte er eine gewisse Langeweile nicht. Den Blues hingegen brachte Vomáčka mit schönen Stücken wie dem „Travelin̕ Man“ schon mit deutlich mehr Hingabe und Leidenschaft zu Gehör. Eine beeindruckende Interpretation von Duke Ellingtons „Caravan“ gegen Ende des ersten Sets war der Vorbote dessen, was an (jazzigen) musikalischen Highlights an diesem Abend noch kommen sollte – und nach der Pause mit dem Django Reinhard-Titel „Nuages“ – gespielt auf einer „Gibson“, dem Rolls-Royce unter den Jazzgitarren –, gleich auf’s Schönste eingelöst wurde.

Getoppt wurde die musikalische Vielfalt, die sich mit den Jazz-Perspektiven in den Stücken und Spielweisen von Sammy Vomáčka auftat, noch mit dem Einsatz der im Scheinwerferlicht metallisch funkelnden „Dobro“-Resonatorgitarre, dieVomáčka sich dereinst als Straßenmusiker anschaffte. So fühlt sich ein gelungener Abend an, der Künstler, Musikgeschichte(n) und Zuhörer zu einem Erlebnis vereint. „So ungefähr jedenfalls.“