Vom Hund im Werbespot

Tatort: Gartenzaun. Mein Hund hebt sein Bein. Was das Tier erleichtert, treibt dem Menschen dort hinten am Fenster seines Häuschens die blanke Wut ins Gesicht. Fäuste trommeln gegen die Scheibe. Wenn Blicke töten könnten, dann würden wir jetzt tot umfallen, der Hund und ich.


Gut, dass es so nur im wirklichen Leben zugeht. In der Fernsehwerbung wäre mein pinkelnder Hund Sympathieträger. Vielleicht nicht immer. Aber immer öfter, denn nachdem in den 90er-Jahren eine Riege von kläffenden, sabbernden, superschlauen Vierbeinern zu Stars von Spielfilmen und TV-Serien wurden, sind längst auch die Fernseh-Werbespots „auf den Hund gekommen“.

Spielfilme als Trendsetter der Werbung - das gab's schon öfter: Ende der 80er-Jahre zum Beispiel bescherte uns Hollywood ein neues Traumduo: Mann und Kind, genauer gesagt: die Papa-Pampers-Connection. Kinofilme wie „Drei Männer und ein Baby“ hangelten sich entlang der These, dass – dem Lorenz'schen Kindchenschema getreu – die als niedlich empfundenen Körperproportionen des Kleinkindes durchaus auch im Mann eine Art Brutpflegeverhalten auszulösen vermögen.

Vor dem Hintergrund klingelnder Kinokassen und ansehnlicher Fernsehquoten setzten daraufhin auch die Werbeagenturen auf die (kauf-)motivierende Signalwirkung des Schemas und tüftelten an neuen Vater-Kind-Konstellationen, frei nach dem Motto: Ein bisschen Kind steht jedem Mann. Da durften die Kleinsten, ganz Natur, Spontaneität und Lebensfreude, auch schon mal den Papa einnässen oder seinen Laptop mit Brei bekleckern. Nach dem Selbstverständnis der Werber wurde so das Bild einer gefühlvollen Vater-Kind-Beziehung in die Gesellschaft getragen. (Abb.: Sony-Werbung)

 

Auf die Patschhändchen folgten die Pfoten: Im US-Kino schlug die Stunde der Hunde – mit neuen Genre-Kreationen wie der „Hunde-Familien-Komödie“ („Ein Hund namens Beethoven“) und dem „Cop-und-Köter-Krimi“ à la „Scott und Huutsch“. Hatten bereits die Strampelhosen-Anarchisten in Film und Werbung dafür gesorgt, dass Ordnung und Keimfreiheit im Heim fürderhin keine unabdingbaren Werte mehr sind, so stellten die nachrückenden Vierbeiner in Sachen Wohnkultur und Hygiene gängige Vorstellungen komplett auf den Kopf.

Dampfwalze Beethoven und Sabbertöle Huutsch taten Dinge, bei deren bloßem Anblick Fernsehhund Lassie sich noch vor Scham unter dem Sofa verkrochen hätte. Als Hund stets der bessere Mensch, hätte Lassie sich niemals zu Trivialitäten hinreißen lassen, die den Lifestyle der 90er-Jahre-Tölen prägten: Cola durch einen Strohhalm zu saufen zum Beispiel, oder rücksichtslos die gute Stube vollzupieseln.

Die Monsterköter der amerikanischen Komödien waren angetreten, mit ihren Pfoten einmal kräftig über das Hochglanzparkett der modernen Hygienefamilie zu kratzen. Was in den nachfolgenden deutsch-sprachigen (TV-)Produktionen von Beethovens Re-bell-ionen blieb, war allerdings kaum mehr als ein Spritzer Anarchie auf einen nichts als Wohlerzogenheit, Treue und Klugheit ausdampfenden Hundehaufen. Kommissar Rex, dessen Subversivität sich im Klauen von Wurstsemmeln erschöpfte, bot mit dieser Melange aus Animalität und Artigkeit das ideale Umfeld für Werbung.

Und so tollen nach dem Motto: Ein bisschen Hund steht jedem Spot seit geraumer Zeit die Bellas und Struppis durch die Fernsehwerbung. Egal, ob von Adel oder von der Straße, süß oder sabbernd, pfiffig oder verschlafen: Hunde werben längst nicht mehr nur in eigener Sache („Ein Prachtkerl dank Chappy“), sondern sind als Lifestyle-Protagonisten erster Güte im unermüdlichen Einsatz für Bier und Banken, schwedische Möbel, italienische Pizzabrote und deutsche Schnupfenmittel. (Screenshot: Ein Essential der Hygienefamilie: Wo ein Hund ist, da ist auch ein Wischmopp. „Swiffer“-Fernsehwerbung 1999.)

Unbemerkt von der Sozialforschung haben die Struppis die vierköpfige deutsche Standardfamilie um vier Pfoten erweitert und das sterile Ambiente der Karrieresingles mit einem Hauch von animalischem Chaos durchsetzt. Klar, dass sie dabei auch durchaus mal jemanden anpinkeln dürfen. Kein Problem für Leute mit der richtigen Bank an ihrer Seite.

Was doch hoffen lässt, dass auch der vor Wut schnaubende Häuslebesitzer dort hinten am Fenster noch eine gewisse Toleranz entwickeln könnte, wenn mein Hund mal sein Bein hebt. Vorausgesetzt, dieser Mensch schaut Werbefernsehen.